Maria und Luisa 3.1 Markus und Madeleines Unfall

Nach zwei weiteren Stunden schlug Madeleine die Augen auf und sah sie an. „Mama?" sagte sie schwach.

„Sie kommt gleich, ich bin's, Maddy, Maria."

„Maria? Ich habe von dir geträumt. Wo ist Mama?"

Sabine kam mit Tränen in den Augen angerannt, als sie ihre Tochter hörte.

Markus erwachte kurz darauf und war erschrocken, dass er auf einem Auge nichts mehr sehen konnte. Maria war sofort bei ihm und erklärte ihm, was passiert war. Und: sie versprach ihm ein cooles Cyberauge, wie im Film. Aber dafür müsse er sich noch ein paar Wochen gedulden. Wie bei Thilos Armprothese, das hatte er so ein bisschen mitbekommen. So erklärte sie es auch Madeleine, als die merkte, dass ihr rechter Unterschenkel fehlte. Die Aussicht, irgendwas Cooles zu bekommen, dämpfte den ersten Schreck ein wenig.

Am nächsten Vormittag verließ Sabine mit ihren beiden Kindern die Klinik und begab sich zu einer diskreten und etwas abgelegenen Spezialklinik im Ärmelkanal. Maria gab ihr ihr Auto und instruierte Thilo. Sie hatte die vier dort angemeldet. Sie und Luisa hatten sich vor rund zwei Jahren dazu entschlossen, in dieser Klinik Spezialbehandlungen wie bei Thilo durchzuführen, oder andere, wie gegen Krebs. Weniger um eine neue Einnahmequelle zu generieren, vielmehr wegen der VIPs, die dort in Behandlung gingen, die entsprechend Macht und Geld hatten und den Deckel darauf hielten, was da vor sich ging. Und natürlich auch an weiteren Behandlungen interessiert waren. Allerdings setzten sie dort nur die verhältnismäßig primitiven und auch größeren Nanobots ein, die gerade ausreichten, ein Implantat zum Anschluss von Prothesen an Knochen und Nervensystem anzubinden und die meisten Krebsarten und ein paar andere Krankheiten heilen konnten. Und die nicht autonom arbeiten konnten, sondern permanente Steuerung benötigten. Das volle Potential dieser Technologie würden sie nicht freigeben. Wer sich für unverletzbar hielt, ließ sich zu den unmöglichsten Dingen hinreißen. Außerdem hatten sie die Technik noch nicht richtig gegen Missbrauch gesichert.

Für Maria war diese Geschichte im Nachgang nicht ganz so einfach. Es gab deutlich zuviele Beteiligte. Sabine und Thilo waren Vertraute, aber das Krankenhauspersonal hatte ein paar zumindest eigenartige Dinge mitbekommen, vor allem der Stationsarzt. Ihn hatte sie auf später vertröstet. Der Direktor wusste nichts und war kein Problem, den hatte sie mit einem Forschungsprojekt geködert. Zuckerbrot eben. Die Peitsche musste sie gar nicht auspacken, er wusste um die Bedeutung für seine Provinzklinik und was seine Gegenleistung dafür war.

Sie hatte auch keine Ahnung, an was sich Madeleine nachher erinnern würde. Für eine gute Stunde hatten sie einen Teil ihrer Gedanken und praktisch die Körper geteilt, zumindest aus Wahrnehmungssicht.

Dann war da noch der Lehrer. Sie hatte die Nanobots instruiert, ihm ein paar Narben zu lassen und darunter alles zu heilen. Inklusive eines Krebses, der inzwischen gestreut hatte. Er war den Krebs los und offiziell hatte er nur oberflächliche Verbrennungen, die nur einige verblassende Narben hinterließen. Und einen gebrochenen Arm in Gips. Er war ein Held und die Feuerwehr bekam eine Modernisierung ihrer Ausrüstung im Gegenzug zur „Fehldiagnose" bei der Rettung.

Als sie zu Sabines Auto ging, sah sie den Stationsarzt grübelnd im Flur sitzen. Er trug nun Jeans und Hoodie, beinahe hätte sie ihn übersehen, wenn er sie nicht so intensiv gemustert hätte. Maria blieb stehen und setzte sich zu ihm. „Sie sehen aus wie geschlagen, hat es sie dermaßen mitgenommen?"

„Wie nicht? Es war eine lange 24 Stunden-Schicht mit ziemlich seltsamen Ereignissen. Mein Chef hat mir einen Einlauf verpasst, als ich ihn fragen wollte, was da lief." Er musterte sie. „Ich fragte keine Details, nur, wieso er ihnen freie Hand gab und ob er wusste, was vor sich ging. Wer sind sie? Sie sehen fast noch aus wie ein Teenager, aber das stimmt ja wohl nicht!"

„Nein, ich bin älter. Aber noch keine 30!" Ihr Gesichtsausdruck war ziemlich ernst dabei. Er blickte dermaßen irritiert, dass sie leise prustete und lachte. „Ich bin Maria, das „M" von MLJ. Komm, ich lade dich auf einen Burger oder eine Pizza ein. Such dir was aus, ich habe einen Riesenhunger. Und dann schaue ich mal, was ich dir erzählen kann."

Er ergriff ihre Hand. „Ansel. Akzeptiert, ich kenne da einen kleinen Laden, der ein wenig außerhalb liegt und unter der Woche recht ruhig ist. Allerdings bin ich mit dem Rad da..." Dann setzte die Erkenntnis ein. „MLJ? - Der Name steht auf der Hälfte der neuen Geräte hinten drauf!"

„Ja, genau dieses „MLJ" meine ich. Mach dir nichts draus, ich bin immer noch nur Maria."

Sie gingen zum Auto, unterwegs führten sie ein wenig Smalltalk. Maria war angenehm überrascht. Sein Händedruck fühlte sich gut an, er sah einigermaßen vorzeigbar aus und beherrschte seine Neugier wenigstens soweit, dass er die Fragen nicht aussprach. Nach einigen Sätzen war er auch wieder lockerer.

Das Essen war gut, und Ansel ein angenehmer Gesprächspartner, wenn auch ein klein wenig introvertiert und zurückhaltend. Ansels Vater war Fan eines Naturfotografen aus dem letzten Jahrhundert und hatte ihm daher diesen Namen mitgegeben. Er fotografierte gerne, ab und zu sogar analog. Es war ein netter Aufhänger für eine Unterhaltung. Sie erzählte ein bisschen belangloses Zeug von sich, ohne auf den vorherigen Tag einzugehen. Irgendwann fragte er natürlich doch nach, ob sie ihm etwas über die Vorgänge verraten könne. Als Arzt hatte er genug Ahnung von Technik um zu wissen, dass er hier keiner Magie begegnet war. Und -- das war ein echtes Problem für ihn -- weder die Mutter der Kinder noch ihr Begleiter waren angemessen überrascht. Ein wenig, ja, aber viel zu wenig. Er versuchte, das auch auszudrücken, ohne allzu sehr zu bohren, bekam aber schlicht und einfach keine Antwort, nichtmal Ausflüchte. „Ansel, ich kann und werde das nicht beantworten. Aber -- tu dir selbst einen Gefallen, und behalte es für dich."

„Und du? Tue ich dir damit etwa keinen Gefallen?"

„Natürlich. Trotzdem... ich bekäme bedeutend weniger Probleme als du." damit beendete sie dieses Thema, und er beließ es auch dabei, auch wenn die Neugier in ihm brannte. Es war beinahe eine unausgesprochene Drohung, und er wollte nicht wissen, wie der Satz weiterginge.

Maria fand ihn wirklich nett und versprach, ihm bald mehr zu erzählen. Vor seiner Wohnung standen sie noch kurz am Auto. Zum Abschied umarmte sie ihn. Es erschien ihr so... selbstverständlich. Irritiert wandte sie sich ab und ging zum Auto. Abgelenkt befahl sie dem Fahrzeug, sie schnellstmöglich zu Sabine und ihren Kindern zu bringen. Nunja, es war nicht ihr Auto, reagierte nicht auf ihre Stimme und kam abgesehen davon nicht übers Wasser... Sabine hatte ihr zwar die Keycard dagelassen, aber der Autopilot reagierte nur auf Sabines und Thilos Stimmmuster. Seufzend fuhr sie selbst. Unterwegs wurde es ihr zu dumm und sie ließ ihre Nanobots auf das System los. Sie lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, während der Autopilot fuhr.

Zwei Wochen später bekam Markus sein neues Cyber-Auge. Erst musste eine Schnittstelle implantiert, beziehungsweise aufgebaut werden, dann folgte das Auge, welches einem echten Auge nachgebildet war und auf den ersten Blick normalerweise nicht auffiel. Und: Er sah damit besser als vorher.

Und eine Woche danach bekam Madeleine einen künstlichen rechten Unterschenkel. Sie musste damit gehen lernen, aber das funktionierte besser, als erwartet. Natürlich auch da sie noch sehr jung war, aber in deutlich höherem Maße, weil die Nanostruktur sie dabei massiv unterstützte.

Maria und Luisa hatten sich besprochen und beschlossen, dass Sabines Kinder auch weiterhin mit einer Variante ihrer eigenen Nanobots geschützt werden sollen.

Durch den Unfall und die Zeit danach hatte Sabine Thilo doch noch in ihr Leben gelassen, oder besser gesagt: lassen können. Das komische Gefühl war verschwunden. Es war an diesem Tag einfach so passiert, und so geblieben. Er gab ihr Halt in den Tagen nach dem Unfall, war einfach da und tat so als ob es selbstverständlich sei. ‚Vielleicht musste er nichtmal so tun.' dachte Sabine eines Abends, als sie bei ihm lag. Er schlief, atmete ruhig und hielt sie auch im Schlaf fest. ‚Wie damals.' Ihr Ohr auf seiner Brust nahm seinen ruhigen Puls auf, es wirkte beruhigend auf sie, und sie schlief mit diesem Gedanken ein.

Ein paar Wochen nach dem Ereignis saßen sie bei Sabine zusammen, sie hatte alle Beteiligten zum Dank zum Essen eingeladen.

Luisa hatte sich um die Prothesen gekümmert und kam alleine an. „Maria kommt nach." meinte sie.

Masie war auch dabei. Zum einen, weil sie eh immer da war, zum andern, weil sie sich sofort ein paar Tage freigemacht hatte und auch fast während der gesamten Zeit bei Markus und Madeleine in der Klinik geblieben war. Sie kam mit Maria.

Markus und Madeleine kamen angeflitzt, als die beiden herein kamen und freuten sich. Zu Maria und Luisa hatten sie ein ganz besonderes Verhältnis, nicht nur wegen der Rettung, sondern auch wegen der Prothesen, und weil die beiden sie ganz speziell im Umgang damit unterwiesen hatten und es immer noch taten.

Es war ein schöner Abend. Irgendwann wurden die Kinder müde und durften sich aussuchen, wer sie ins Bett brachte. Madeleine wollte sich noch ein bisschen an Maria kuscheln, während sie ihr vorlas. So hatten sie es in der Klinik oft gemacht, wenn sie um ihren Beinstumpf Angst hatte. Oder vor irgendwas anderem.

Markus wollte lieber Mama und Thilo. Eigentlich wollte er alleine gehen, da er ja schon groß war, aber insgeheim freute er sich dann doch, dass die beiden kamen.

Später saßen die fünf noch entspannt zusammen und spielten ein paar Runden Malefitz und ließen den Abend entspannt enden.

Als der Abend schon fast zu Ende war meinte Sabine zu Thilo und Masie „ihr schaut euch immer noch ein wenig fragend an?"

„Naja, es ist irgendwie schon eigenartig. Wir hatten ja nicht gerade eine enge Beziehung, aber trotzdem war es irgendwas. Es ist schon eine Weile vorbei... Und nun ist er bei dir, und ich freue mich für euch beide." antwortete Masie.

Thilo fühlte sich schon lange zu Sabine hingezogen. Das war einer der Gründe, warum er sich nie auf was Festes mit Masie einlassen konnte. Der andere war Thorsten. Das wussten sie alle, also schwieg er.

„Naja, wenn ihr ab und zu... ich meine, ich liebe euch beide, und mit Masie verbindet mich so viel..." Sabine zuckte mit den Schultern.

„Ich würde den Sex mit dir vermissen, falls einer von euch nicht damit klar käme." sagte sie zu Masie. „Auch wenn es in letzter Zeit etwas ruhiger war zwischen uns."

Sie blickte neugierig zu Thilo. Er sah etwas ratlos zurück.

* * * * * ENDE * * * * *

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